National
1. Platz: Simone Buchholz: Mexikoring (Suhrkamp)
In Hamburg brennen die Autos. Jede Nacht, wahllos angezündet. Aber in dieser einen Nacht am Mexikoring, einem Bürohochhäuserghetto im Norden der Stadt, sitzt noch jemand in seinem Fiat, als der anfängt zu brennen: Nouri Saroukhan, der verlorene Sohn eines Clans aus Bremen. War er es leid, vor seiner Familie davonzulaufen? Hat die ihn in Brand setzen lassen? Und was ist da los, wenn die Gangsterkinder von der Weser neuerdings an der Alster sterben?
„[In] in diesem Buch [ist] auf jeder Seite eine Haltung gegenüber der Welt zu erkennen (…), die nicht ausgestellt oder gar ausbuchstabiert werden muss. Schon deshalb lassen sich die Bücher von Simone Buchholz nicht einer Kategorie zuordnen – sie sind keine Lokalkrimis, keine St. Pauli-Romane oder Hamburg Noirs. (…) Simone Buchholz beweist mit jedem Buch ihrer Reihe noch mehr, dass es in der deutschsprachigen Kriminalliteratur sehr viel mehr gibt als Regional- und Tourismuskrimis.“ (Sonja Hartl)
2. Platz: Matthias Wittekindt: Die Tankstelle von Courcelles (Edition Nautilus)
Ohayons erster Fall: Die Vogesen in den 1970er Jahren: grün, friedlich, ein wenig am Rand von allem. Hier wächst abgeschieden eine Gruppe von Kindern zu Jugendlichen heran, die mehr oder weniger subtile Rangkämpfe ausfechten. Als Lou, die nachts an der Tankstelle jobbt, Zeugin eines Verbrechens wird, ändert sich alles: ein erschossener Fahrer neben seinem Auto, ein verwaister Lieferwagen, aus dem Spender gerissene Papiertücher, als hätte jemand dort etwas gesucht – was ist passiert? War Lou wirklich nur Zeugin? Oder hat sie die Gunst der Stunde zu einer Tat genutzt, deren Folgen sie nicht absehen konnte?
„Die ruhige, fast stille, völlig uneitle und souveräne Prosa, die es nicht nötig hat, ihre eigene Brillanz zu feiern, macht die hohe Qualität des Romans aus. Der Kriminalfall selbst (…) wirkt fast unauffällig platziert, ist aber dennoch das entscheidende Ereignis des Buches, von dem aus sich Vergangenheit (…) und Zukunft der handelnden Personen entfaltet. (…) Exakt diese Überschneidung von privatem und öffentlichem Raum ist das Kerngeschäft guter Kriminalliteratur, auch wenn sie nicht auf sensationelle Effekte setzt. Deswegen ist ‚Die Tankstelle von Courcelles‘ ein großartiger Kriminalroman.“ (Thomas Wörtche)
3. Platz: Max Annas: Finsterwalde (Rowohlt)
So könnte es kommen, vielleicht schon sehr bald: Die EU gibt es nicht mehr. Überall in Europa haben Nationalisten und Fremdenfeinde das Sagen. Leute ohne deutschen Pass werden aus ihren Wohnungen abgeholt, Staatsbürgerschaften aufgekündigt. Die meisten Deutschen mit fremden Wurzeln befinden sich in Übergangslagern, sie hoffen auf eine internationale Lösung, ein Abkommen mit einem Land, das sie aufnehmen wird. In Finsterwalde, einer geräumten Provinzstadt, hat man Tausende Schwarze kaserniert. Unter ihnen Marie mit ihren beiden Kindern. Da geht das Gerücht, in Berlin seien drei schwarze Kinder zurückgeblieben, vergessen von allen. Marie beschließt, einen Weg aus dem Lager zu finden, um die drei vor dem sicheren Tod zu retten.
„Max Annas hält mit seinem spektakulären Entwurf der Gegenwart mit ihren Hass-Debatten auf radikalste Weise den Zerr-Spiegel vor – und er bezieht dabei nicht minder radikal Position. (…) „Finsterwalde“ ist ein sehr smart geplotteter und dramatisierter Thriller, der in Hochgeschwindigkeit exzellent mit den Mitteln des Genres operiert – und ein kontroverser Polit-Roman zur Zeit, der mit immenser Energie am Nerv der Dinge bohrt, die nicht bloß die Zukunft, sondern auch die Gegenwart in Deutschland derzeit eben alles andere als licht und freundlich scheinen lassen. Der Plan, den Max Annas wohl hatte, als er sich diesen Roman ausdachte, er geht auf, in vielfacher Hinsicht.“ (Ulrich Noller)
International
1. Platz: Hideo Yokoyama: 64 (Atrium)
Im Januar 1989 wird in Tokio ein siebenjähriges Mädchen entführt. Tagelang versuchen die Eltern alles, um die Forderungen des Entführers zu erfüllen. Doch alle Bemühungen sind vergebens. Der Entführer entkommt unerkannt mit dem Lösegeld, kurz darauf wird die Leiche des Mädchens gefunden. Die Ermittlungen der Polizei laufen ins Leere, der Fall geht unter dem Aktenzeichen 64 als ungelöstes Drama in die Kriminalgeschichte Japans ein. Vierzehn Jahre später verschwindet die Tochter von Yoshinobu Mikami, dem Pressesprecher eines kleinen Polizeireviers. Mikami, selbst Gefangener eines übermächtigen Verwaltungsapparats, stößt kurz darauf auf ein geheimes Memo zu Fall 64. Getrieben von einer dunklen Ahnung beginnt er, auf eigene Faust zu ermitteln.
„Auf knapp 800 Seiten (…) erzählt Hideo Yokoyama eine sich langsam, aber unerbittlich, detailliert, aber immer wieder auch rasant entwickelnde Geschichte. (…) Ein Kriminalroman als Gesellschaftspanorama, das ist nichts Neues. Aber die Tiefe der Einblicke, die Hideo Yokoyama in eine fremde Lebensweise und ihre sozialen Regeln gestattet, möchte man für beispiellos halten.“ (Sylvia Staude)
2. Platz: Tom Franklin: Krumme Type, krumme Type (Pulp Master)
Als die neunzehnjährige Tina Rutherford verschwindet, ist jedem in Chabot, Mississippi klar, wer dafür verantwortlich ist. Denn 25 Jahre zuvor war schon die junge Cindy Walker nach einem Date mit dem Nachbarssohn Larry Ott spurlos verschwunden. Für das Verbrechen konnte Larry aus Mangel an Beweisen nie verurteilt werden, wurde aber fortan gemieden und lebte in ritualisierter Einsamkeit. Erneut unter Verdacht, ist sein Haus vermehrt Ziel betrunkener Rednecks; er wird angeschossen und der junge schwarze Constable Silas Jones mit den lästigen Ermittlungen betraut – eine gemeinsame Vergangenheit und ein dunkles Geheimnis verbinden ihn mit Larry.
„Kunstvoll zwischen damals und heute springend, rollt Tom Franklin die Geschichte einer Freundschaft auf: ein trostloses Panorama von Angst, Armut und Rassismus. Schweigen liegt wie eine finstere Wolke über den Beziehungen der Menschen. Als Wahrheit zählt nur, was mit dem Vorurteil übereinstimmt. (…) Tom Franklins ‚Krumme Type, krumme Type‘ (…) ist ein trauriges, großes Buch.“ (Tobias Gohlis)
3. Platz: Denise Mina: Blut Salz Wasser (Ariadne bei Argument)
Helensburgh am River Clyde, Refugium für Reiche und Touristen: Verloren irrt ein Mörder durch die malerischen Gässchen, während Kriminalinspektorin Alex Morrow nach einer verschwundenen Geldwäscherin sucht. Und das bevorstehende Referendum bringt zusätzlich Unruhe ins Gefüge.
„(…) Denise Mina (behält) stets den Überblick über die verschiedenen Erzählstränge – und verflicht sie am Ende virtuos. Zudem zeichnet sie ein scharfer Blick für gesellschaftliche Realitäten aus. Misogynie (…) durchzieht konstant die Gesellschaft. Auch Verbrechen und Kriminalität sind nicht Abnormitäten, sondern strukturelle Elemente einer Gesellschaft, die auf Betrug und Geldwäsche beruht. (…) In ‚Blut Salz Wasser‘ dekonstruiert Denise Mina eindrucksvoll den konservativen Glauben, dass mit der Überführung des Täters alles wieder gut und die Ordnung wiederhergestellt sei.“ (Sonja Hartl)
Die Jury
Volker Albers (Hamburger Krimifestival) / Andreas Ammer (ARD) / Claudia Denker (Buchhandlung Chatwins, Berlin) / Monika Dobler (Krimibuchhandlung Glatteis, München) / Christiane Dreiling (Buchladen Neusser Straße einzigundartig, Köln) / Joachim Feldmann (Kritiker) / Tobias Gohlis (Die Zeit) / Günther Grosser (Kritiker) / Sonja Hartl (Kritikerin) / Cornelia Hüppe (Krimibuchhandlung Miss Marple, Berlin) / Reinhard Jahn (Bochumer Krimi Archiv) / Hermann Kling (Kritiker) / Christian Koch (Krimibuchhandlung Hammett, Berlin) / Alf Mayer (Kritiker CrimeMag) / Torsten Meinicke (Buchladen in der Osterstraße, Hamburg), Peter Münder (Kritiker) / Ulrich Noller (WDR) / Michaela Pelz (krimi-forum.de) / Thomas Przybilka (BoKAS) / Kirsten Reimers (Kritikerin) / Robert Schekulin (Kritiker, Buchhändler) / Jan C. Schmidt (kaliber38.de) / Sylvia Staude (Frankfurter Rundschau) / Bettina Thienhaus (Kritikerin) / Jutta Wilkesmann (Krimibuchhandlung Die Wendeltreppe, Frankfurt) / Thomas Wörtche (Kritiker)
Der Deutsche Krimipreis ist der älteste deutsche Krimipreis. Seit 1985 zeichnet eine Jury aus Krimi-Kritiker*innen, Literaturwissenschaftler*innen und Krimi-Buchhändler*innen die besten Kriminalromane des Jahres aus.
Mit dem Deutschen Krimipreis – vergeben in den Kategorien National und International – werden jeweils drei Romane gewürdigt, die inhaltlich originell und literarisch gekonnt dem Genre neue Impulse verleihen.
Der Deutsche Krimipreis ist undotiert und wird – ungewöhnlich in der Szene der Literaturpreise – in der Regel nicht öffentlich verliehen, sondern lediglich der Öffentlichkeit bekannt gegeben.
Auf dieser Seite finden Sie Informationen darüber, wer zur Jury gehört und wie die Teilnahmebedingungen sind. Außerdem können Sie sich über die Entstehung und Geschichte des Preises informieren.
Hier geht es zum Archiv: den Preisträgern von 1985 bis 2018 sowie zu den 119 besten Kriminalromanen aller Zeiten, die die von einer Jury ermittelt wurden.
Für alle Fragen, die nicht in der FAQ zum Deutschen Krimipreis beantwortet werden, gibt es die Möglichkeit, Kontakt mit der Organisatorin aufzunehmen.